Viele erwachsene Menschen in Deutschland haben Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben. Personen, deren Lese- und Schreibkompetenzen nicht über die Ebene leichter Texte hinausgehen, werden als funktionale Analphabet*innen oder als gering literalisiert bezeichnet. Es ist den meisten von ihnen also möglich, einzelne Wörter zu lesen und zu schreiben, die Erfassung zusammenhängender Texte fällt ihnen aber schwer bzw. gelingt ihnen nicht.
Zu den Begrifflichkeiten: In der LEO-Studie 2010 wurde der Begriff des funktionalen Analphabetismus geprägt. Dieser stellte sich in der Praxis aber einerseits als stigmatisierend für die Betroffenen und andererseits als missverständlich und sehr erklärungsbedürftig heraus. Die LEO-Studie 2018 verwendet daher den Begriff der geringen Literalität bzw. gering literalisierter Menschen.
LEO-Studie 2018 (Grotlüschen, Anke; Buddeberg, Klaus; Dutz, Gregor; Heilmann, Lisanne; Stammer, Christopher (2019): LEO 2018 – Leben mit geringer Literalität. Pressebroschüre, Hamburg. Online unter: http://blogs.epb.uni-hamburg.de/leo)
Unter geringe Literalität fallen drei Kompetenzstufen:Das Alpha-Level 1 entspricht der Buchstabenebene. Personen dieses Levels können nur einzelne Buchstaben lesen und schreiben.
Das Alpha-Level 2 entspricht der Wortebene. Die entsprechenden Personen können einzelne Wörter lesen und schreiben, müssen aber auch diese oft Buchstabe für Buchstabe zusammensetzen.
Das Alpha-Level 3 entspricht der Satzebene. Personen dieses Levels können einzelne Sätze lesen und schreiben, aber keine (auch kürzeren) zusammenhängenden Texte erfassen.
In der LEO-Studie 2018 wurde eine repräsentative Anzahl erwachsener Personen (18-64 Jahre) berücksichtigt. Die Ergebnisse zeigen sich in der folgenden prozentualen Verteilung (in Klammern ist jeweils die auf Deutschlands Einwohnerzahl hochgerechnete Anzahl zu finden):
Alpha-Level 1: 0,6 % (0,3 Mio.)
Alpha-Level 2: 3,4% (1,7 Mio.)
Alpha-Level 3: 8,1 % (4,2 Mio.)
Daraus ergibt sich die Gesamtzahl für Menschen mit geringer Literalität: 12,1% (6,2 Mio.)
Rechnet man diese Angaben auf die Einwohnerzahl des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg (289.120 Einwohner*innen, siehe https://www.berlin.de/ba-friedrichshain-kreuzberg/ueber-den-bezirk/zahlen-und-fakten/) herunter, so ergibt sich die folgende Zahl:
Erwachsene mit geringer Literalität in Friedrichshain-Kreuzberg: 30.000 Personen.
Es handelt sich hierbei um den Teil der 18-64-jährigen – das heißt, von einer höheren Zahl kann ausgegangen werden.
Für Menschen mit geringer Literalität ist die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben eingeschränkt.
Wenn Probleme mit dem Lesen und Schreiben betrachtet werden, sollte eine weitere Kompetenzstufe mitbeachtet werden: Das Alpha-Level 4 umfasst eine auffällig fehlerhafte Rechtschreibung, d.h. Lesen und Schreiben gelingt meist nur langsam und ist oftmals mit Druck und Belastung verbunden.
Alpha-Level 4: 20,5%
Für Friedrichshain-Kreuzberg bedeutet das eine Anzahl von ca. 50.000 Personen. Auch wenn diese Personen nicht als gering literalisiert gelten, haben sie teilweise den Bedarf, ihre Lese- und Schreibkompetenzen zu verbessern. Zusammen mit den Menschen mit geringer Literalität ergibt sich für Friedrichshain-Kreuzberg eine Anzahl von insgesamt 80.000 Personen mit Förderungsbedarf im Bereich der Lese- und Schreibkompetenzen.